Customer Journey setzt bei Erfahrungen statt Konsum schon an

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Stefan Uhl, CEO Starcom MediaVest Group DACH, über das veränderte Konsumverhalten und die Neu-Justierung von Angeboten sowie des Storytelling

Stefan Uhl, © SMG

Musik, Bücher und Filme – die Zeiten, da sie den meisten Platz in unseren Regalen einnahmen, sind vorbei. Denn unser Wertesystem hat sich tatsächlich gewandelt. Besitz hat für die heranwachsenden Generationen nicht mehr den gleichen Stellenwert wie für frühere. Das Auto als Statussymbol verliert an Bedeutung, die Funktionalität muss stimmen. Kostenabwägungen, aber auch Umweltbewusstsein und Mobilität bestimmen Kaufentscheidungen. Insgesamt geht der Trend weg von der Suche nach materiellem Besitz, hin zu einer immateriellen Erlebniskultur.

Das spiegelt sich auch in unseren Einkaufsgewohnheiten. Wir kaufen nicht mehr gezielt ein, sondern gehen Shoppen. Nicht das Produkt selbst steht im Mittelpunkt. Viel wichtiger sind heute Surfen und Suchen, Informationen sammeln, Kontakte knüpfen, Erlebnisse teilen. Insbesondere beim Kauf von Geschenken kristallisiert sich heraus, dass es nicht mehr darum geht, Dinge zu besitzen, die letztendlich ihren Reiz verlieren und uns nicht mehr zufriedenstellen. Wir tendieren zu Erfahrungen, die Geschichten erzählen, uns in Erinnerung bleiben und uns tatsächlich zufriedener machen. Die Devise lautet Wellness-Gutschein statt Schal, Kindle-Abo statt Buch oder CD.

Die Einkaufsstraße als Erlebnisraum

Das Erscheinungsbild unserer Einkaufsstraßen verändert sich. Wir finden dort nun auch Fitnessstudios, Wellnessoasen, Tätowierer, Bars und Restaurants. Daher genügt es nicht mehr, der beste Einzelhändler der Shoppingmeile zu sein. Geschäfte sind jetzt Orte, wo man Produkte ansehen, anfassen oder ausprobieren kann, ehe man sie online bestellt. Die Grenzen zwischen verschiedenen Retail-Kategorien verwischen, das Angebot beschränkt sich nicht mehr auf die Ware selbst.

Der Einzelhandel ist gleichgestellt mit Freizeit und Bildung – Läden und Einkaufszentren sind Orte für Unterhaltung oder Beratung. Auch Technologie und Mode gehen mehr und mehr ineinander über. Luxusmarken wie Burberry verstehen das als Chance: In den englischen Geschäften des Modehauses steht vernetzte Technologie im Mittelpunkt. Hier wird ein völlig neues, facettenreiches Einkaufserlebnis geboten. Auf das Einkaufserlebnis setzt auch der Ausrüster Globetrotter mit seinen Erlebnisfilialen in vielen deutschen Großstädten, wo Kältekammer, Ameisenkolonie, Wassersport- oder Quallenbecken, Erlebnistreppe und Klettertunnel nicht nur zum Ausprobieren der geeigneten Outdoor-Produkte einladen.

Wie Marken über das Produkt hinauswachsen

Für Marken reicht es nicht mehr aus, ihre Produkte und Services zu verkaufen. Sie sind zu Unterhaltungsanbietern und Erlebnismachern geworden. Marketing umfasst mehr, als die Konsumenten lediglich über ein Produkt und seine Merkmale zu informieren. Die Menschen müssen auf sinnvolle Weise angesprochen werden, Produkte müssen das Leben bereichern und interessanter machen. Dabei spielen eigene, markenspezifische Inhalte eine wichtige Rolle. In Zeiten des allgegenwärtigen „Storytellings“ gerät jedoch mitunter in Vergessenheit, dass die „Story“ kein Selbstzweck ist. Vielmehr müssen Unternehmen sich überlegen, warum und wie Konsumenten auf eine Marke zugehen, und ihr Angebot ebenso wie ihr Storytelling auf diese Bedürfnisse abstimmen. Optimalerweise online und offline mit der gleichen Botschaft. Diese Regel wird leider viel zu oft vernachlässigt, wenn mehrere Agenturen für unterschiedliche Kommunikationskanäle verantwortlich sind und der Austausch zwischen ihnen und die Kooperation miteinander vom Auftraggeber nicht explizit eingefordert wird. Die Folge sind hervorragende TV-Spots, die mit den teilweise ebenso hervorragenden Social-Media-Inhalten in der Botschaft kaum etwas gemein haben. Zugrunde liegt die Auffassung, man könne in Social Media „mehr wagen“ als in klassischen Medien. Das ist nicht gänzlich falsch, allerdings prägen sich Markeninhalte dadurch immer schlechter ein. Die große Kampagne mit den Namen auf den Verpackungen – war das Coca Cola? Oder Nutella?

Der Einfluss kreativer Inhalte

Da immer mehr Marken (und vor allem Retail-Marken) im Sektor mitmischen, müssen innovative und originelle Erfahrungen geboten werden, um im Gespräch zu bleiben. So schuf die Modemarke Desigual mit ihren „Seminaked Parties“ erinnerungswürdige Momente: Die ersten 100 Personen, die es nur in Unterwäsche bekleidet in den Shop schafften, durften ein zweiteiliges Outfit gratis shoppen. Marken müssen sich zutrauen, mit ihren Produkten, ebenso wie mit der „Story“ um diese herum, ihr Publikum und dadurch auch sich selbst zu überraschen.

Es gilt Chancen zu nutzen, und selbst kreativ zu sein. Marken müssen neue Ideen entwickeln, denen Konsumenten Zeit widmen wollen. Es wird dieses Jahr zahlreiche renommierte Sportveranstaltungen geben u.a. die Champions League. Doch die sind bereits mit Marken ausgelastet, die schon seit Jahren mit den Events kooperieren.

Wer kreativ ist, hat deshalb in diesem Jahr echte Chancen. Events für schnelle Erfolge stehen nicht an. Das lässt hoffen, dass wir in den nächsten Monaten einige spannende und erfolgreiche Markenaktivierungen sehen werden.

Der Einfluss individueller Erfahrungen

In der digitalen Welt müssen neue Erfahrungen überzeugend dargestellt werden, damit sie sich vom Push-Marketing und der riesigen Auswahl im Internet abheben. Hier kommt es einerseits auf die kreativen Inhalte an, andererseits aber auch darauf, dass diese Inhalte durch effektives Targeting die richtigen Zielgruppen zur richtigen Zeit ansprechen. Denn erst wenn Kreation und Targeting enger zusammenrücken, kann Werbung Konsumenten Erfahrungen liefern, die zu ihrer individuellen Customer Journey passen und deshalb als relevant und einzigartig wahrgenommen werden. Digitale und programmatisch buchbare Medien schaffen es hier besonders gut, kreative Erfahrung individuell an den Nutzer zu bringen. In den kommenden Monaten werden wir diese Entwicklung immer häufiger beobachten – nicht nur auf dem PC, sondern immer selbstverständlicher auch auf Smartphones und Tablets, über die mutige und glaubwürdige Markenerlebnisse sofort in Echtzeit geteilt werden.

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Stefan Uhl ist seit über 20 Jahren im Mediageschäft tätig. Seit Anfang 2013 leitet er als CEO die Starcom MediaVest Group (SMG) in Deutschland, Österreich und der Schweiz. SMG ist nach eigenen Angaben die größte Mediaagentur weltweit. Sie betreut unter anderem Kunden wie Samsung, Honda und UBS. Vor seinem Einstieg bei SMG wirkte der studierte Kommunikationsfachwirt in verschiedenen Positionen bei Mindshare Germany, zuletzt als Managing Director in Düsseldorf.


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(bmw) 17.02.2015


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