CMW 2016: „Die cool kids sind Content Marketeer - hier nicht mehr“

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… meint Olaf Kopmann, Deputy Head of Content Marketing bei Condé Nast Manufaktur, und schildert, was er in Cleveland erlebt hat

© Olaf Kopmann

Als ich meiner Frau letztens sagte, ich würde gerne mal wieder in die USA fahren, dachte ich eigentlich nicht an Cleveland. Die Stadt ist eher bekannt für seinen industriellen Charme, das örtliche Baseballteam und einige recht schöne architektonische Konversionsprojekte, wie dem Warehouse District. Anlässlich der jährlich stattfindenden „Content Marketing World“ avancierte sie jedoch schon zum sechsten Mal zur „Welthauptstadt des heißesten Marketing-Buzzwords“ und war in Kombination mit dem #cmworld ein Trending Topic bei Twitter. Für mich war es, wie für etwa 60 Prozent der Besucher, das erste Mal.  

Reisen zu Digitalkonferenzen in die USA haftet dann auch immer so etwas wie ein Blick in die Zukunft an – der amerikanische Markt, so wird kolportiert, ist dem europäischen stets ein oder mehrere Jahre voraus. War es eine Zeitreise? In Teilen ja. Aber nicht, weil alles Augmented Reality oder sonst wie durchtechnisiert war, sondern weil die Gattung Content Marketing dort schon deutlich erwachsener ist. Die cool kids sind Content Marketeer hier nicht mehr. Und genau so muss es auch sein. 

Das Erwachsenwerden mache ich an zwei Punkten fest, die sich für mich wie ein roter Faden durch das Konferenzprogramm ziehen: die Frage nach dem Warum und die Kohärenz der Sub-Disziplinen. 

Mediokre Inhalte helfen keinem

Joe Pulizzi griff die Frage nach dem Warum bereits in der Opening-Keynote auf. Er würde eher gar keinen Content produzieren, als nur mittelmäßigen. Denn mediokre Inhalte helfen keinem. Vielmehr beschädigen sie Reputation und Marke des Absenders. Dementsprechend war sein Aufruf an jene, die solchen Content produzieren, damit aufzuhören in die Tasten zu hauen und auf Start zurückzugehen, um zu überlegen, was der Sinn des Ganzen ist.

In vielen Sessions wurde die Frage nach dem Purpose, also dem Zweck des unternehmerischen Handelns, als zentraler Ankerpunkt für Content Marketing aufgegriffen. Wie es funktionieren kann, zeigte Russell Sparkmen während einer „Lunch & Learn“-Session,  am Beispiel des Reiseunternehmens Momondo. Durch seine Mission (Leute dazu zu bewegen, neue Ideen auszutauschen und authentische Geschichten zu teilen - Fremde zu Freunden machen) sucht das Unternehmen in einem kompetitiven Umfeld nach Differenzierung. Die Mission war auch Kern einer im Juni dieses Jahres lancierten Projektkampagne der „DNA-Journey“. Dabei erhielten unterschiedliche Menschen die Möglichkeit, die Herkunftsländer ihrer Ahnen zu bereisen. Einzige Bedingung: sie stimmten einem DNA-Test zu, mit dem ihre Herkunft analysiert werden konnte. Der eigentliche Plot ist minimalistisch und deshalb schnell erzählt: vor dem Test werden die Probanden zu ihrer eigenen Herkunft und der Toleranz gegenüber anderen Ethnien befragt. Viele sind sich sehr sicher über ihre eigene Abstammung und äußern deutliche Abneigung gegenüber anderen. Nach Erhalt der Ergebnisse, die allen gemischte Abstammungslinien bescheinigen, folgt der Moment der Erkenntnis. In einem Kampagnenvideo wird die Geschichte emotional und glaubwürdig erzählt und ist bereits über 8 Millionen Mal bei YouTube angesehen worden. „Man muss tief graben, um herauszufinden, was einen wirklich einzigartig macht“, fasste Russell Sparkmen zusammen.

Ist der Kern unternehmerischen Erfolgs nicht immer eng verbunden mit der Einzigartigkeit des eigenen Angebots und einem klaren Verständnis für Markt und Konsumenten? Sieht man sich verschiedene Content-Projekte an, gelangt man nicht immer zu diesem Schluss.

Eine stärkere Orientierung auf Performance im Content Marketing wird aber zwangsläufig dazu führen, dass man sich mit dem Warum auseinandersetzt.

Oder mit den Worten des Comedian Michael Jr., der den perfekten Einstieg in den zweiten Konferenztag lieferte „If you understand your why, your what has more impact.

Der Grad des Erwachsenwerdens zeigt sich aber auch in der zunehmenden Kohärenz einer großen Anzahl sich entwickelnder Unterdisziplinen. Das Programm der Content Marketing World umfasste Sessions zu Themen wie Content-Erstellung, Social Media, Content Strategie, Erfolgsmessung, Datengenerierung und -interpretation, visuelles Storytelling, Internationalisierung, SEO, Content Marketing-Software, Audience Development und Distribution/Promotion. Diese Disziplinen erfordern vielfältige Fähigkeiten und Player, die in Content Marketing-Projekten zusammengeführt werden müssen.

Andy Crestodina von Orbit Media forderte in seiner Keynote deshalb verstärkt das Ausbilden von „T-Shaped“ Content Marketeers, die verschiedene dieser Disziplinen verstehen aber eine Spezialisierung in einer Disziplin haben. Dabei den Überblick über Innovation und Entwicklungen in all diesen Bereichen zu behalten, ist die eigentliche Herausforderung an die Organisation von Mitarbeitern, Partneragenturen und den Informationsflüssen zwischen diesen.

Zukunft könnte in Content-Netzwerken liegen

Diese Organisation ist dann besonders herausfordernd, wenn, wie Mitch Joel zu wissen glaubt, das Zentrum aller Content-Ströme nicht mehr die eigene Webseite ist. Er sieht die Zukunft in Content-Netzwerken, die aus mehreren Audience-Hubs bestehen, und der Distribution bzw. Promotion von Inhalten zwischen diesen Hubs.

Neben dem Konferenzprogramm waren die Gespräche in den Pausen ein echtes Highlight der Content Marekting World. Menschen mit einem weitestgehend ähnlichen Marketing-Mindset zu treffen, ist erfrischend und man gewinnt den Eindruck, dass auch wenn eine Branche erwachsen wird, es nicht weniger spannend ist, als in den euphorischen Geburtsstunden und Kindheitstagen zuvor. Bleibt zu hoffen, dass die Weiterentwicklung auch dazu führt, dass bei der nächsten Umfrage des Content Marketing Instituts mehr als nur zwei von zehn befragten Unternehmen voll hinter ihren Content Marketing-Aktivitäten stehen.



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(bmw) 16.09.2016


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